Apostel Steinbrenner: Wir gehören dazu! (Teil 2)

(21.01.2013) Hamburg. Apostel Jörg Steinbrenner ist als Beauftragter der Neuapostolischen Kirche Norddeutschland für Fragen der Ökumene und des interreligiösen Dialogs benannt. Im zweiten Teil des Interviews äußert er sich zur Bedeutung des Katechismus für die Ökumene und spricht von ökumenischen Zielen, die er mittel- und langfristig erreichen möchte.

Zum Verantwortungsbereich von Apostel Steinbrenner (55) gehören die Kirchenbezirke Hamburg-Ost, -Süd und -West, Lübeck und Lüneburg sowie Dänemark, Grönland und Island. Ferner leitet er den Bereich Aus- und Fortbildung im Rahmen der norddeutschen Strategiegruppe. Ebenso überregional ist seine Arbeit als Ökumene-Beauftragter.

Apostel Steinbrenner, die Projektgruppe Ökumene der Neuapostolischen Kirche International hat Hinweise für die Beteiligung der Neuapostolischen Kirche an ökumenischen Veranstaltungen gegeben. Darin heißt es, dass die Neuapostolische Kirche sich nicht an gemeinsamen Gottesdiensten beteiligt. Können Sie Gründe dafür nennen?

Das hängt mit unserem Amts- und Sakramentsverständnis zusammen. Zunächst zu den Sakramenten: Nach unserem Verständnis ist das Abendmahl nicht nur Gedächtnis- und Gemeinschaftsmahl, sondern es tritt die geistliche Wirklichkeit Jesu Christi hinzu. Im gesamten christlichen Spektrum werden Bedeutung und Inhalt des Heiligen Abendmahls sehr unterschiedlich gesehen. Beim Taufverständnis hingegen rücken die Konfessionen - bei allen auch hier bestehenden unterschiedlichen Sichtweisen - viel enger zusammen, aber gerade beim Abendmahlsverständnis gibt es erhebliche Differenzen. Das sieht man auch daran, dass beispielsweise unter katholischen und evangelischen Christen keine gemeinsamen Gottesdienste mit Abendmahl gefeiert werden können. Insofern befindet sich da die Neuapostolische Kirche in keiner Sonderposition. Eine ähnliche Problematik herrscht beim Amtsverständnis. Ist der jeweilige Geistliche der anderen Konfession als Priester im Sinne einer Heilsvermittlung anzuerkennen oder sieht man ihn anders. Aber: Es geht auch nicht darum, gemeinsame Gottesdienste zu feiern.

Sondern?

Aus meiner Sicht ist viel wichtiger, dass wir auf pastoraler Ebene Menschen helfen, die beispielsweise in gemischtkonfessionellen Partnerschaften und Ehen leben. Ihnen also helfen, diesen Weg ganz ohne Gewissenskonflikte, ohne Reibungsverluste zu gehen, in gegenseitiger Wertschätzung und in Begleitung ihrer jeweiligen Konfession. Wenn wir das erreicht haben und ein unverkrampftes Miteinander vorherrscht, ist mir das momentan wichtiger als gemeinsame Gottesdienste zu feiern.

Zum Thema Neuapostolische Kirche und Ökumene gibt es nicht nur Hinweise und Regeln, sondern auch einige Irrtümer. Zu den großen Irrtümern gehört zum Beispiel, dass ein Paar nur dann in der Neuapostolischen Kirche heiraten kann, wenn beide neuapostolischen Glaubens sind. Was sind weitere Irrtümer, die Sie häufig hören?

Ein weit verbreiteter Irrtum ist auch: Wenn nicht Mutter und Vater neuapostolischen Glaubens sind, kann ihr Kind nicht neuapostolisch getauft werden. Das ist natürlich nicht so. Ich habe in letzter Zeit sehr häufig erlebt, dass sakramentale Handlungen vollzogen wurden, wenn einer beider Ehepartner nicht neuapostolischen Glaubens ist. Ich persönlich vermeide dann, den andersgläubigen Partner während Ansprache und Handlung zu sehr zu vereinnahmen – um dafür zu sorgen, dass er nicht bekennen muss, was er nicht bekennen kann oder will. Andererseits beziehe ich diesen Partner so mit ein, dass ihm Wertschätzung und Respekt entgegengebracht wird. Und dann gibt es natürlich noch weitere Irrtümer, zum Beispiel: In der Neuapostolischen Kirche wird nicht mit Wasser getauft, man stellt neue Offenbarungen über das Zeugnis der Bibel, es werden Tote beschworen und so weiter. Das ist gänzlich falsch und erfordert immer wieder Aufklärungsarbeit.

Inwieweit muss auch kirchenintern noch Aufklärungsarbeit geleistet werden? Welche Irrtümer gilt es zu beseitigen? Oder anders gefragt: Entspricht jede ökumenische Aktion auf Gemeindeebene vollumfänglich der offiziellen Position der Neuapostolischen Kirche?

Nun, die Aktivitäten sind sehr unterschiedlich. Es gibt sicher Gläubige, die möchten vielleicht gemeinsame Gottesdienste mit Angehörigen anderer christlicher Konfessionen erleben. Da muss man aufpassen, dass bestimmte Grenzen aus den erwähnten Gründen nicht überschritten werden. Auf der anderen Seite gibt es hier und da noch Gemeinden, die sehr zurückhaltend und vorsichtig sind. Da wünschte ich mir einfach, dass unsere Gemeindevorsteher und Glaubensgeschwister etwas offener und entspannter werden. Meine persönlicher Erfahrung zeigt immer wieder: Wenn man mit Menschen anderer Kirchen ins Gespräch kommt und sich austauscht, stellt man viele Gemeinsamkeiten fest – und, dass man vor solchen Kontakten auf beiden Seiten keine Furcht haben muss. Man kann sich ganz unkompliziert in die Gespräche begeben und wird in der Regel erleben, dass es sich um bereichernde Begegnungen handelt.

Am 4. Dezember 2012 wurde der Katechismus der Neuapostolischen Kirche vorgestellt. Was denken Sie: Wird der Katechismus die ökumenischen Bestrebungen auf Gemeindeebene bremsen, oder wird er ein Turbo in Richtung lokaler Ökumene sein?

Es ist gut, wenn Gemeindevorsteher etwas in der Hand haben, was sie auch nach Außen geben können. Das ist ein gutes Fundament für die Weiterführung ihrer Gespräche. Ich habe zum Beispiel erlebt, dass ein Gemeindevorsteher alle Geistlichen vor Ort eingeladen hat, an der Informationsveranstaltung zum Katechismus, die Sie ansprachen, teilzunehmen. Diesen Einladungen hat er jeweils einen Katechismus der Neuapostolischen Kirche beigefügt. Auch von anderer Stelle habe ich Ähnliches gehört. Man verwendet den Katechismus gerne – eben auch bei ökumenischer Arbeit.

Mit dem Katechismus kann eine Vergleichbarkeit, aber auch eine präzise Abgrenzung zu anderen christlichen Kirchen deutlich gemacht werden. Bischof Peter Johanning, Pressesprecher der Neuapostolischen Kirche International, äußerte: „Das Reservoir an Gemeinsamkeiten ist größer als die Anzahl der trennenden Elemente.“ Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Gemeinsamkeiten und was die wichtigsten Unterschiede zwischen der Neuapostolischen Kirche und beispielsweise der Katholischen und Evangelischen Kirche?

Gemeinsam haben die neuapostolischen Christen mit allen Christen den Glauben an den dreieinigen Gott, und dass nach dem Zeugnis der Bibel Jesus Christus, als Teil des dreieinigen Gottes, Mensch auf dieser Erde gewesen ist – wahrer Gott und wahrer Mensch –, dass er für uns Menschen den Opfertod gestorben ist und dass dadurch die Menschen erlöst werden können. Wir glauben an Jesu Auferstehung und an seine Himmelfahrt, und wir glauben grundsätzlich mit allen Christen daran, dass er wiederkommen wird. Darüber hinaus glauben wir, dass die formgerecht vollzogene Wassertaufe einen Menschen in den Leib Christi einfügt. Das sind zentrale Gemeinsamkeiten des Glaubens. Ferner feiern wir mit anderen Christen gemeinsame Feste, wir haben gemeinsame ethisch-moralische Grundüberzeugungen und wir haben vielfältige verbindende Elemente in der Liturgie, in der Kirchenmusik, in der Art und Weise wie wir Familienleben gestalten und so weiter. Die Gemeinsamkeiten sind immens.

Und die Unterschiede?

Eine Besonderheit des neuapostolischen Glaubens ist unsere Naherwartung der Wiederkunft Christi zur Heimholung der Braut, wie sie im 1. Korinther 15 und 2. Thessalonicher 4 biblisch bezeugt ist. Es glauben auch protestantische und katholische Christen an die Wiederkunft Christi zum Endgericht. Der Glaube an die Entrückung einer Brautgemeinde und die Überzeugung einer folgenden umfänglichen Heilsvermittlung im Tausendjährigen Friedensreich ist besonderer Gegenstand des neuapostolischen Glaubensprofils. Ein weiterer Unterschied liegt im Amtsverständnis. Wir glauben, dass es notwendig ist, das bevollmächtigte Amt in der Kirche zu kennen. Und dass dieses bevollmächtigte Amt in besonderer Weise bevollmächtigt ist, das Heil, das von Christus kommt, den Menschen zugänglich zu machen und die Heilige Schrift in rechter Weise zu deuten. Wir verbinden das mit dem Apostelamt, mit dem Apostolat als Ganzes. Das ist vor allem ein Unterschied zum Protestantismus, wo man davon ausgeht, dass man die Heilige Schrift auch ohne Amt deuten kann. Man spricht im Protestantismus von einem Priestertum aller Gläubigen. Diese Haltung haben wir nicht. In diesem Punkt ist die neuapostolische Denkweise der katholischen Denkweise näher. Auf der anderen Seite kennen wir neben den beiden Sakramenten, die im Protestantismus bekannt sind (Heiliges Abendmahl und Heilige Wassertaufe, Anm. d. Red.), mit der Heiligen Versiegelung, der Mitteilung der Gabe des Heiligen Geistes, ein drittes Sakrament. Das ist eine Sache, die wir dem Apostelamt vorbehalten. Und das mag als trennend empfunden werden – zumal wir auch lehren, dass erst mit der Vermittlung der Gabe des Heiligen Geistes die Gotteskindschaft im engeren Sinne erworben wird, während man in anderen Kirchen davon ausgeht, dass dies bereits mit der Wassertaufe geschieht. Im weiteren Sinne sagen wir aber auch, dass alle Menschen Geschöpfe Gottes sind – und damit Kinder Gottes.

Eine Nachfrage zum Amtsverständnis: Gerade bei ersten Kontakten zu anderen Konfessionen mag es irritierend sein, dass die Neuapostolische Kirche Amtsträger in neun verschiedenen Amtsstufen einteilt. Inwiefern ist diese Unterscheidung im ökumenischen Dialog überhaupt wichtig?

In der Tat, die Neuapostolische Kirche hat eine weitausgefächerte Ämterhierarchie, die für den Betrachter von außen zunächst verwirrend wirken mag. Vereinfacht können wir aber sagen: Die Neuapostolische Kirche hat erstens das Diakonat, kennt zweitens den priesterlichen Dienst und drittens das Apostolat. Bei den interkonfessionellen Gesprächen sehe ich dadurch aber kein Problem.

Die neuapostolische Arbeitsgruppe „Kontakte zu Kirchen und Religionen“ hat die Einladung für den 34. Deutschen Evangelischen Kirchentag 2013 in Hamburg angenommen. Damit wird erstmals eine neuapostolische Delegation offiziell auf einem evangelischen Kirchentag vertreten sein. Was ist von dieser Teilnahme zu erwarten? Welche Rolle wird die Neuapostolische Kirche Norddeutschland einnehmen?

Die Neuapostolische Kirche Norddeutschland unterstützt in erster Linie die Bemühungen, die auf nationale Ebene stattfinden, zum Beispiel eine Podiumsdiskussion, in dessen Rahmen der Katechismus der Neuapostolischen Kirche vorgestellt und diskutiert wird. Auf lokaler, also norddeutscher Ebene werden wir mit einem Stand auf dem „Markt der Möglichkeiten“ vertreten sein und damit ebenfalls die Möglichkeit zum Dialog bieten. Wichtig ist mir dabei zu betonen, dass es uns nicht darum geht, den 34. Evangelischen Kirchentag als Werbeveranstaltung für die Neuapostolische Kirche zu nutzen. Wir sind als Gast dort und wollen uns demnach auch als Gäste dezent und zurückhaltend bewegen und sensibel in Kontakt mit anderen Christen treten, die sich auf dem Kirchentag aufhalten. Wir wünschen uns also, dass wir über den Dialog ins Miteinander kommen. Übrigens, aus meiner Sicht ist es überhaupt schon bemerkenswert, dass Vertreter der Neuapostolischen Kirche offiziell zum Evangelischen Kirchentag eingeladen sind. Bemerkenswert insofern, dass die Evangelische Kirche damit signalisiert: Wir sind daran interessiert, den begonnenen Dialog mit der Neuapostolischen Kirche fortzuführen, keine Distanz aufzubauen, sondern respektvoll miteinander umzugehen.

2013 feiert die Neuapostolische Kirche ihr 150-jähriges Bestehen. Ist das ein Thema in Bezug auf Ihre ökumenische Arbeit?

Das Jubiläumsfest gibt der Neuapostolischen Kirche Anlass zu manchen Aktivitäten. Und diese Aktivitäten sind durchaus geeignet, um sie mit Christen anderer Konfessionen zu gestalten. Ich denke, da gibt es eine Fülle an Möglichkeiten auf lokaler und regionaler Ebene – und ich kann das nur begrüßen, wenn das Jubiläum genutzt wird, um ökumenische Arbeit voranzubringen.

„Die Quantität der Christen wird abnehmen, die Qualität der Christen wird zunehmen“, sagt Papst Benedikt XVI. Was sagen Sie?

Ich schätze das ähnlich ein wie der Papst. Das Christentum ist weltweit auf dem Rückzug, gerade in der westlichen Welt. Die Gesellschaft säkularisiert immer mehr. Manche Christen, die nominell einer Kirche – und da beziehe ich die Neuapostolische Kirche mit ein – angehören, haben hier und da den innerlichen Bezug zu wesentlichen Grundlagen des christlichen Glaubens verloren. Stattdessen gibt es einen gewissen Traditionsglauben. Das heißt aber umgekehrt: In dem Maße wie Christentum nicht mehr selbstverständlich ist, muss der Einzelne, der sich bewusst für eine christliche Konfession entscheidet und bewusst den Weg des Glaubens geht, sich damit auseinandersetzen, wofür der Glaube steht. Dadurch nimmt die Qualität zu.

Welche ökumenische Entwicklung wünschen Sie sich in den nächsten Jahren? Welche mittel- und langfristigen Ziele verfolgen Sie?

Ich wünsche mir, dass Christen aller Konfessionen in Zukunft noch unverkrampfter miteinander umgehen, dass man Berührungsängste und Vorurteile abbaut und gemeinsame christliche Anliegen voranbringt, um etwa christliche Wertmaßstäbe, die in unserer Gesellschaft teilweise sehr gefährdet sind, zu erhalten. Persönlich wünsche ich mir, meinen Beitrag dazu leisten zu können, in vielen Gesprächen mit Geistlichen und Mitgliedern anderer Konfessionen die genannten Vorurteile und Berührungsängste abzubauen. Ich wünsche mir natürlich auch, dass unsere Gesprächspartner respektvoll mit unseren Überzeugungen hinsichtlich des Apostelamtes, der Versiegelung und der Naherwartung der Wiederkunft Jesu Christi umgehen. Manchmal habe ich leider den Eindruck, dass hier und da noch mit zweierlei Maß gemessen wird. Das Römisch-katholische Kirchen-, Amts- und Sakramentsverständnis weist durchaus exklusive Elemente auf. Auch dort gibt es Lehren, die – wie zum Beispiel „Maria leibliche Aufnahme in den Himmel“ –, nicht von allen Christen geteilt werden. Trotzdem würde niemand auf die Idee kommen, der Römisch-katholischen Kirche die Akzeptanz zu verweigern. Als im Weltmaßstab relativ kleine Kirche haben wir es da manchmal schwerer.

Können Sie das konkretisieren?

Häufig wird uns unterstellt, wir wollten mit unseren ökumenischen Bestrebungen bloß aus der Sektenecke heraus. Natürlich empfinden wir es schon als diskriminierend, wenn wir hier und da als Sekte bezeichnet werden. Neben den erwähnten pastoralen und gesellschaftlichen Anliegen und dem Wunsch, apostolischen Positionen in der Christenheit mehr Gehör zu verschaffen, ist uns bewusst, dass Ökumene keine Einbahnstraße bedeutet. Ein ehrlicher Dialog mit anderen zwingt auf allen Seiten auch immer dazu, eigene Positionen zu reflektieren. Unser verändertes Kirchen- und Taufverständnis zeugt davon. Umgekehrt würde ich es sehr begrüßen, wenn sich andere Christen vielleicht intensiver als bisher mit der Wiederkunft Christi beschäftigen würden. Ich persönlich habe in anderen christlichen Gemeinschaften manches gesehen und gehört, was ich sehr bemerkenswert und vorbildlich finde. Davon können auch neuapostolische Christen das eine und andere lernen.

 

Interview: Björn Renz

Fotos: Heino Sartor

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