Zwei Jahre nach Fertigstellung: Fragen zum Katechismus

(10.09.2014) Hamburg/Frankfurt. Der Katechismus der Neuapostolischen Kirche wurde in der zweiten Jahreshälfte 2012 erstmalig gedruckt, im Dezember 2012 allen interessierten Mitgliedern der Kirche präsentiert und im Januar 2013 der Öffentlichkeit vorgestellt. Seitdem finden in der Neuapostolischen Kirche Norddeutschland sowie in weiteren Landteilen und Gebietskirchen regelmäßig Veranstaltungen auf Kirchenbezirks- und Gemeindeebene statt, die die Beschäftigung mit der Lehre der Kirche zum Gegenstand haben. Mit Zunahme des Angebots und Interesses nehmen auch die Fragen zu.

Neuapostolische Christen, darunter Mitglieder der Neuapostolischen Kirche Norddeutschland, hatten vor einigen Wochen Gelegenheit über die Redaktion von nacworld, dem sozialen Netzwerk der Kirche, Fragen zum Katechismus einzureichen. Diese wurden von Dr. Reinhard Kiefer beantwortet. Ein Auszug weiterer Themen ist bereits veröffentlicht (wir berichteten).

Inwieweit kann die kleine und junge Neuapostolische Kirche erkenntnismäßig und theologisch mit der Katholischen und Evangelischen Kirche mithalten?

(…) Schultheologie, universitäre Theologie, die leisten wir nicht, weil wir nicht forschen. Aber wir benutzen die universitäre Theologie. Wir haben einen Blick darauf. (…) Auch der evangelische Pfarrer wird nicht theologische Systeme, die er an der Uni gelernt hat, (…) seinen Gemeindemitgliedern mitteilen. Das ist ja uninteressant, sondern das muss sozusagen brauchbar gemacht werden für die Gemeinde. Und da denke ich mir, sind wir auf einem sehr guten Weg und der Beweis dafür ist ja der Katechismus, der auch gerade bei anderen Kirchen Eindruck gemacht hat. Ich hatte jedenfalls den Eindruck, dass man dieses Buch, dieses Glaubensbuch, doch sehr ernst nimmt, auch als theologisches Dokument.

Wie verträgt sich die wenig theologische Zeit der Neuapostolischen Kirche in den früheren Jahren mit der heutigen Entwicklung?

Das verträgt sich insofern, dass natürlich heute die Sätze, die damals ohne theologischen Hintergrund gesagt wurden, theologisch bedacht werden. Wir haben unsere Tradition und diese Tradition bedenken wir heute – durchaus auch in theologischen Kategorien. Und so kommt man dann mal zu neuen Akzentuierungen (…). Aber auf der anderen Seite merkt man auch, dass das, was unsere Väter gesagt haben, doch dem Evangelium entspricht. Dass das sozusagen schon empfunden war, da erkennen wir dann auch das Wirken des Heiligen Geistes. Also ich würde jetzt nicht so einen riesigen Schnitt machen zwischen Früher und Heute. (…)  

Was hat Theologie mit Glauben zu tun?

Theologie hat eine ganze Menge mit dem Glauben zu tun, weil der Glaube ja zur Sprache kommen will. Wie bringe ich ihn denn zur Sprache? Welche Worte benutze ich denn? Theologie ist zunächst einmal ein Sprachproblem. Für bestimmte Sachverhalte brauche ich eine bestimmte Sprache. Wie drücke ich aus, dass Gott dreieinig ist? Da brauche ich eine bestimmte Begrifflichkeit. (…) Deshalb braucht der Glaube die Theologie, weil er die Sprache braucht.

Das Wirken des Heiligen Geistes – ist das Theologie? Wenn ja, bedeutet das weniger Geisteswirken?

Das wäre schlecht! Nur die Frage stellt sich immer: Wie lasse ich denn den Heiligen Geist wirken? Lass ich ihn wirklich wirken? Und da ist dieses kritische Potential der Theologie ganz sinnvoll und wichtig. (…) Ich muss ja auch immer aufpassen, wenn ich predige. Ist das jetzt Reinhard Kiefer, der aus so einem Fundus schöpft oder ist das der Heilige Geist? Aus dem Fundus schöpfen ist ganz nett, aber das ist nicht der Heilige Geist. Es geht auch nicht um Sachinformationen in erster Linie, (…) das ist nicht die Substanz. Man muss sich fragen: Bring ich die Substanz rüber, das Zentrum? Kommt das zur Sprache? Und da hilft mir die Theologie, oder kann sie mir helfen.

Wirkt der Heilige Geist auch in anderen christlichen Religionsgemeinschaften?

Ja, unumwunden, ja. Natürlich, sonst würde da nicht das Evangelium gepredigt werden, sonst würde da nicht geglaubt werden und so weiter. All das Gute, was da geschieht, das geschieht doch durch den Heiligen Geist. Da wirkt er, Gott wirkt. (…)

Das Heilige Abendmahl ist Bekenntnis zu Jesus Christus und zusätzlich auch Bekenntnis zur jeweiligen Kirche?

Ja, (…) die Sakramente sind immer konfessionell eingebunden. Wir haben ja keine Sakramentsspendung außerhalb von Kirchen, sondern das ist immer in einer Kirche. (…) Sakramente sind immer auch Bekenntnisakte zu der jeweiligen Tradition. (…)

Durch das Opfer Christi sind die Sünden vergeben. Hält die Neuapostolische Kirche diesen Zuspruch für konstitutiv oder für deklaratorisch?

Ich glaube, beides. (…) Es sind beide Elemente da. Man darf sie auch nicht voneinander trennen. Einmal ist die Zusage: Du bist von der Herrschaft der Sünde befreit, durch das Opfer Christi, aber du bist der Sünder. Trotzdem bist du Sünder und sündigst aus dieser Sündhaftigkeit, die dir anhaftet, heraus. Und da brauchst du Entlastung, immer wieder.

Also keine Schwarz-Weiß-Malerei?

Nein. (…) Es ist auch immer das sich Bewusstwerden von Sünde und das sich Bewähren. (…) Bei der Sündenvergebung, gerade wie wir sie verstehen, ist ja sozusagen die Annahme im Glauben und das bußfertige Herz konstitutiv. Das ist anders als beim Sakrament, wo ich erst mal das Sakrament als Sakrament empfange, ganz gleich, wie ich im Einzelnen beschaffen bin. Ob ich stark glaube, überhaupt nicht glaube oder sonst was. Das Sakrament kommt zustande. Aber bei Sündenvergebung ist das nicht so. Die kommt nicht einfach so zustande, sondern die hängt davon ab, wie ich mich dazu verhalte. Gott nimmt den Sünder ernst und stülpt ihm nicht irgendetwas über.

Also ganz so einfach und schnell geht es nicht?

Nein, man muss da sehr vorsichtig sein. Auch damit, zu sagen: Jetzt sind wir alle rein und sündlos oder so. Das kann man so gar nicht sagen. Es gibt da unter Garantie Stufungen. Das lässt sich theologisch vermutlich gar nicht eruieren, das lässt sich gar nicht beschreiben, aber es ist wesentlich differenzierter, als wir uns das so vorstellen.

Ist der Austausch mit anderen Konfessionen durch den Katechismus intensiver geworden?

Ja, auf jeden Fall. Wir hatten im letzten Jahr in Fulda eine Veranstaltung über den Katechismus mit der EZW und dem konfessionskundlichen Institut Bensheim. Dort waren evangelische und katholische Theologen, und nicht nur Weltanschauungsbeauftragte, sondern auch Ökumenebeauftragte. Da gab es Vorträge zum Katechismus – von katholischer Seite, von evangelischer Seite und von unserer Seite –, und es gab intensive Diskussionen darüber. In den Gesprächen, die danach geführt wurden, spielte der Katechismus immer wieder eine ganz große Rolle.

Werden Gemeinsamkeiten gefunden, oder wird geschaut, wo sind irgendwelche Differenzen? Und ist ein Lernprozess vielleicht auch bei den anderen Kirchen festzustellen? Dass sie sagen: So wie ihr das seht, haben wir das ja noch gar nicht gesehen – das nehmen wir mal auf! Ist das auch ein Resultat?

Ja sicherlich. Das ist keine Einbahnstraße. Einmal wird erkannt, dass unser Glaube christlicher Glaube ist. Wir standen ja immer unter dem Generalverdacht: Die meinen es gar nicht so ernst, die haben da irgendwie ihren eigenen Laden aufgemacht. Das stimmt nicht. Das ist die erste Erkenntnis. Wichtig war an der Stelle auch, dass die altkirchlichen Bekenntnisse nicht nur erwähnt werden, sondern dass sie verbindlich und im Katechismus abgedruckt sind. Das ist eine zentrale Leistung des Katechismus, so dass es auf der Seite der Trinitätslehre, der Christologie überhaupt keine Probleme gibt. Also an den zentralen Stellen gibt es keinerlei Differenz.

Frauen können in der Neuapostolischen Kirche kein Amt tragen. Ist das im 21. Jahrhundert zeitgemäß? Ist es überhaupt eine Frage der Zeitverhältnisse, oder spielen da andere Beweggründe, Ursachen, Faktoren eine Rolle?

(…) Wir sind keine regionale Kirche, sondern eine Weltkirche. (…) Die regionalen Befindlichkeiten sind sehr unterschiedlich und denen muss man Rechnung tragen. (…) Aber jetzt wird erst der Amtsbegriff, das Amtsverständnis ausformuliert, ausdifferenziert. Und erst dann könnte man (…) diese Sache angehen und bewerten. Theologisch ist das – glaube ich – kein so großes Problem.

Wird die Neuapostolische Kirche die Bemühungen intensivieren, um in die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) aufgenommen zu werden?

Gewünscht ist ja gar nicht die Aufnahme, sondern der Beobachterstatus. (…) Das heißt einfach auch mit den anderen Christen, mit den anderen Gemeinschaften (…) ins Gespräch zu kommen. Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass wir sagen: Das Apostolat ist für die gesamte Christenheit. Und insofern sind neuapostolische Christen immer auch aufgerufen, mit anderen Christen zu sprechen. Es kann nicht sein, dass wir uns auf uns selbst beschränken. Wir müssen immer eine Kommunikationssituation mit den anderen suchen. Das liegt im Apostolischen selber. (…)

 

Interview (vollständig nachzulesen auf www.nacworld.net): Oliver Rütten, Elke Zillkens

Fotos: Jens Gassmann, Oliver Rütten

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